Lage wird langsam kritisch Drucken
Geschrieben von: Freies Wort   
Samstag, den 15. Januar 2011 um 08:30 Uhr

Hunderte Einsatzkräfte waren gestern im Einsatz, um den Wassermassen in der Region, die Straßen überschwemmten und Keller volllaufen ließen, Einhalt zu gebieten.

Schmalkalden - "Wir haben massive Probleme mit dem Hochwasser", sagte Bürgermeister Thomas Kaminski. Während er am Donnerstagabend den Blick fast nur auf das Ansteigen der Schmalkalde in der Aue richten musste, galt gestern allen Gewässern in der Stadt größte Aufmerksamkeit. Am Donnerstag wurde die Wehr gegen 14.30 Uhr alarmiert. Da begannen die Kameraden mit dem Verfüllen von Sandsäcken, berichtete Stadtbrandmeister Michael Pfunfke. Fast 3000 Sandsäcke wurden gefüllt und im Laufe des Abends und der Nacht verlegt. Insgesamt waren 128 freiwillige Wehrleute im Einsatz. Die meisten von ihnen wurden in der Aue benötigt. Dort verlegten sie bis gegen Mitternacht Sandsäcke vor Häusern und Einfahrten als Wassersperren.

Zufahrt nur per Boot: Im Schmalkalder Ortsteil Aue ging nichts mehr

 

Bild: Freies Wort

"Wir versuchen dort zu helfen, wo Sachwerte geschützt werden müssen oder ein öffentliches Interesse besteht", sagte der Stadtbrandmeister. Wo das Eingreifen offensichtlich nicht wirkungsvoll wäre oder der Aufwand unverhältnismäßig hoch ist, "müssen wir das Wasser laufen lassen". Bislang verfügen Wehr und Bauhof über zirka 100 Tonnen Sand. Obendrein wurden gestern noch einmal weitere 15 Tonnen jeweils nach Wernshausen und in den Schmalkalder Bauhof gebracht, um weitere Sandsäcke füllen zu können. Als Schwerpunkte für die Einsätze der Wehr nannte Michael Pfunfke neben der Aue und dem Pfaffenbach noch das Stiller Tor in Schmalkalden. "Die Stille macht uns Probleme, weil sie ständig steigt", sagte er. Hinter den Häusern liegen ebenfalls schon Sandsäcke als Sperre gegen das Hochwasser, aber dieses drückt stellenweise bereits durch.

In Mittelschmalkalden ist inzwischen das gesamte Gelände vom Sportplatz bis an die Bebauung in der Mühlstraße überflutet. In dem Ortsteil bildet das ERU-Gelände den Einsatzschwerpunkt.

In Niederschmalkalden waren die Bereiche der Ernst-Thälmann-Straße und der Karl-Marx-Straße überflutet und wurden gesperrt. Im Ortsteil Wernshausen hatte die dortige Wehr ihren Schwerpunkt an der Straße Rosagrund. Auch diese Zufahrt wurde geschlossen. Am maßgeblichen Pegel der Schmalkalde wurde in Mittelschmalkalden nachts um zwei Uhr bei einem Stand von zwei Meter Alarmstufe 2 ausgelöst. Bis zum späten Nachmittag erreichte der Wasserstand eine Höhe von 2,06 Meter. "In den letzten anderthalb Stunden ist der Pegel aber konstant geblieben", sprach Stadtbrandmeister Pfunfke vorsichtig die Hoffnung aus, dass das Hochwasser erst einmal seinen Scheitelpunkt erreicht hat. Es bleibe abzuwarten, was in der Nacht noch an Schmelz- oder Regenwasser ankommt, widersprach er aber zugleich einer verfrühten Entwarnung.

Zufahrt nur per Boot: Im Schmalkalder Ortsteil Aue ging nichts mehr.
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Die Einsatzkräfte der Schmalkalder Wehr versuchten, am Nachmittag in ein Schichtsystem zu kommen. Denn die meisten Kameradinnen und Kameraden waren von vorgestern 15 Uhr bis gestern Morgen durchweg im Einsatz, einige sogar noch länger. Lothar Röder vom Ordnungsamt der Stadt verwies darauf, dass zahlreiche Straßen in der Stadt gesperrt sind. Das betrifft vor allem Straßen in der Aue, aber auch im Pfaffenbach müssen Kraftfahrer mit erheblichen Verkehrseinschränkungen rechnen. Ebenso ist die Kreisstraße zwischen Näherstille und Grumbach beeinträchtigt. In Breitungen mussten ebenfalls zahlreiche Straßen gesperrt werden. Zwischen dem Bußhof und der Ortslage befand sich ein See. Auch die K 87 war erneut überflutet. Die Werra hatte gestern in der gesamten Ortslage längst ihr Flussbett verlassen. Am späten Nachmittag stieg der Pegel auf 4,75 Meter. Damit war längst die höchste Alarmstufe ausgelöst. Da der Wasserstand beständig stieg, holten sich die Breitunger Verstärkung. "Wir müssen befürchten, dass es schlimmer wird als 1994", sagte Bürgermeister Peter Heimrich. Damals wurde am Pegel eine Höhe von 4,86 Meter gemessen. Die Einsatzkräfte versuchten den gesamten Tag über, Keller abzudichten, Sachwerte zu schützen und Gefahrstellen zu beseitigen. An der B 19 musste derweil schon am Morgen die Auffahrt an der Ölmühle von Breitungen auf die Bundesstraße gesperrt werden. Hier hatte die Truse so viel Wasser geführt, dass sie über das Ufer trat und die Straße und das angrenzende Kieswerk überschwemmte. Insgesamt rechneten die Einsatzkräfte eher nicht mit einer schnellen Entspannung der Hochwasserlage. Ein EON-Sprecher teilte gestern Nachmittag mit, dass der Strom für die Kunden "An der Truse" in Breitungen aus Sicherheitsgründen abgestellt werden musste. Das Trafohäuschen sei überschwemmt, es müsse mit Kurzschlüssen gerechnet werden. Zudem soll das Behindertenheim der Diakonie in der Schafwerra geräumt worden und die Bewohner vorübergehend in Bad Salzungen untergebracht worden sein.

In Schwallungen wurde die Fußgängerbrücke über die Werra bereits am Donnerstag wegen des Hochwassers gesperrt, gestern breitete sich das Wasser bis zum Kindergarten aus. Der Keller des Gebäudes lief voll, die Feuerwehr war im Einsatz und sicherte das Mobiliar. Auch im Bürgerhaus sah es am gestrigen Spätnachmittag "kritisch aus". Die Feuerwehrleute stellten sich auf eine lange Nacht ein.

Einsatz am alten Schwimmbad: Der seit vielen Jahren nicht vom Hochwasser betroffene Nüßleshof war komplett überschwemmt, der Weg zur Feriensiedlung ausgespült.
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Während die Hasel im Bereich von Steinbach-Hallenberg weitgehend überschaubar blieb und keinen Einsatz der örtlichen Wehren erforderte, mussten die Kameraden im benachbarten Viernau ausrücken. Sie waren seit Donnerstagabend im Einsatz. Gegen 20 Uhr löste Ortsbrandmeister Mathias Gröschel Alarm aus. Zunächst waren 16 Einsatzkräfte damit beschäftigt, später benötigte Säcke mit Sand zu füllen. Die meisten Sperren wurden schließlich im Bereich der Futtergasse und weiter flussabwärts benötigt. In der Nacht verblieben acht Einsatzkräfte in Bereitschaft und schauten nach dem Rechten. Diese wurden heute Morgen von den verbleibenden acht Kameraden abgelöst. Gestern waren am zeitigen Abend noch zwei Feuerwehrleute in der Heizung der Mehrzweckhalle beschäftigt. Dort war Grundwasser aufgestiegen und hatte den Heizraum unter Wasser gesetzt. Hier setzten die Wehrleute eine Pumpe ein, um den Heizraum trockenzulegen. Außerdem hatten die Einsatzkräfte an verschiedenen Stellen im Ort die Kanaldeckel öffnen müssen, um empordrückendes Grundwasser ablaufen lassen zu können.

"Die Lage wird langsam kritisch, vor allem an der Werra", schätzte der amtierende Kreisbrandinspektor Klaus Kleimenhagen am Nachmittag ein. Da gab es noch einen ständigen Wechsel zwischen Alarmstufe 2 und 3. Am späten Nachmittag wurde am Pegel in Meiningen mit einem Wasserstand von 3,79 Metern die Alarmstufe 3 überschritten, weiter ansteigend. Über 200 Feuerwehrleute waren laut Kleimenhagen im Landkreis unterwegs, nicht mitgezählt die vielen Helfer in den Kommunen. "Die Stützpunktfeuerwehren haben derzeit einen Rund-um-die-Uhr-Dienst", erklärte er. Die gesamte Werra-Aue von Vachdorf bis Breitungen und darüber hinaus war überschwemmt. Besonders stark stiegen die Fluten bei Breitungen an, dort sind die Auen jedoch breit genug, meinte Kleimenhagen. Seit gestern war die Lage in der Schmalkalder Aue prekär, dort hatten Anwohner ihre Pkw vorsorglich aus dem Gefährdungsgebiet gefahren. Mehrfach waren Keller überflutet. Er bat um Verständnis, dass Prioritäten gesetzt und zunächst dort ausgepumpt werde, wo Öltanks gefährdet sind. Von einer Katastrophe könne man noch nicht sprechen, aber von einer Großschadenslage. eh/geb/uf